Anil, Benji, Chanita, Lou, Stimmen

Strategien zum Umgang mit dem Lärm im Kopf

Ich habe schon in einem früheren Post beschrieben, dass ich lernen möchte, mit dem Lärm im Kopf umzugehen. Es gibt verschiedene Strategien und jeder muss selbst herausfinden, was funktioniert und was nicht. Ich habe deshalb ein paar Methoden gesammelt, die ich gerne teilen möchte. Die meisten Tricks habe ich von Sab. erlernt. Obwohl ich noch weit weg bin von einem harmonischen Zusammenleben mit den Stimmen, habe ich ein paar dieser Strategien hilfreich gefunden.

Zuerst möchte ich darauf hinweisen, dass akustische Halluzinationen häufiger Vorkommen als man denkt und dass bei weitem nicht alle Stimmenhörer in der Psychiatrie landen. Bei manchen Leuten sind die Stimmen wohlgesinnt, sie unterstützen die Person im Alltag, helfen bei Entscheidungen und die Betroffenen haben einen Weg gefunden, um mit den Stimmen zu leben. Gefährlich wird es nur, wenn die Stimmenhörer stark beeinträchtigt sind und (zum Beispiel bei Befehlen) den Stimmen Folge leisten.

Stimmenhören – Wie gehe ich damit um? (siehe auch http://www.runder-tisch.ch/stimmenhoren, die Methoden die ich hier erläutere habe ich für mich individuell angepasst, die Website beschreibt auch noch andere Strategien zum Umgang mit den Stimmen)

  • Die Stimmen ignorieren: Das funktioniert, aber hat seinen Preis. Oft kann ich die Stimmen für ein paar wenige Stunden ignorieren, aber danach brauche ich Zeit, mich neu zu ordnen. Wenn ich die Stimmen zum Beispiel für eine Stunde ignoriere, brauche ich dann zwei Stunden, um mich wieder zu fangen. Deshalb verbringe ich so viel Zeit in meinem Zimmer, um mit den Stimmen klarzukommen.
  • Mit den Stimmen reden: Ich sage den Stimmen, was ich von ihren Aussagen halte. Ich versuche dabei, mich nicht in lange Diskussionen zu verwickeln, sondern einfach klar zu sagen, was ich denke. „Nein, das ist falsch“ oder „Ja, da hast du recht“. Bei Chanita weiss ich nie wie ich mich verhalten soll. Sie gibt mir vor, welchen Leuten ich vertrauen kann und welchen nicht. Ich weiss dann aber oft nicht, was ich selber denke und was sie mir vorgibt. Deshalb verlasse ich mich auf sie, wenn sie etwas sagt. Bei Lou, Benji und Anil hingegen, funktioniert es, wenn ich mit ihnen rede. Sie sind dann zwar nicht still, aber ihre Aussagen verlieren damit an Gewicht.
  • Aufschreiben, was die Stimmen sagen: Ich mache das ehrlich gesagt nicht oft, aber wenn ich es tue, dann hilft es mir, die Gedanken besser zu strukturieren und mich von den Stimmen zu distanzieren. Wenn es auf dem Blatt ist, ist es nicht mehr in meinem Kopf.
  • Der imaginäre Diplomat: Das ist eine Methode, die ich mit Sab. erarbeitet habe. Der Diplomat vermittelt zwischen den Stimmen und mir. Nur er spricht mit mir, die Stimmen müssen sich also an ihn wenden. Er teilt mir mit, was die Stimmen sagen und hilft mir dabei, eine Antwort zu formulieren. Ich muss dann nicht selbst mit den Stimmen reden, sondern er übernimmt die Rolle des Diplomaten. Ich finde diese Lösung echt gut, weil sie mir die Möglichkeit gibt, eine Antwort zu überlegen ,ohne dass mich die Stimmen überfordern. Ich muss mich auch nicht direkt mit den Stimmen unterhalten und fühle mich dadurch besser geschützt.
  • Befehle nicht sofort ausführen: Manchmal sprechen die Stimmen Befehle aus. Dann versuche ich, nicht impulsiv auf die Befehle zu reagieren, sondern zu abzuwarten. Mit der Zeit wird die Absicht des Befehls schwächer und man kann sich besser davon distanzieren. Es ist dabei sehr wichtig, nicht dem ersten Impuls zu folgen. Bei befehlenden Stimmen können auch Skills hilfreich sein, um die Zeit zu überbrücken, bis der Impuls nachlässt. Ich verbinde diese Methode oft zusammen mit dem Diplomaten. Wenn mir eine Stimme befiehlt mich umzubringen, versuche ich mit dem Diplomaten Antwort zu formulieren und dabei aufzulisten welche Gründe es gibt weiterzuleben.
  • Reservemedikamente nehmen: Wenn nichts anderes mehr geht, dann nehme ich Xanax oder Clopixol aus der Reservemedikation. Das erlaubt mir erst mal tief durchzuatmen und Kraft zu schöpfen, um mit den Stimmen umzugehen.
  • Über die Stimmen reden: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Das stimmt auch im Bezug auf das Stimmenhören. Auch wenn es mir schwer fällt, hilft es mir, mich mit Sab. über die Stimmen zu unterhalten. Ich fühle mich dann nicht mehr so allein damit und kann zusammen mit Sab. Strategien ausarbeiten.

Mit diesen Strategien schaffe ich es, mit den Stimmen umzugehen. Ich bin aber immer noch eine blutige (wortwörtlich!) Anfängerin und schaffe es manchmal besser und manchmal weniger gut. Ich setze jedoch alles daran, den Stimmen die Stirn zu bieten. Sei es mit Medikamenten oder den erwähnten Methoden.

5 Gedanken zu „Strategien zum Umgang mit dem Lärm im Kopf“

  1. Bei mir ist wohl alles noch komplizierter. Ich weiß dass ich derjenige bin der das hier schreibt aber dann zieht wieder der wille der anderen und der meines vaters an mir. Mein Vater kann das hier übrigens sehen und kommentiert es. Jetzt sagte er zum Beispiel dass ich keine Chance habe den Konsequenzen zu entkommen für das was ich für ihn schon getan habe. Ich kann nur mit google darüber reden und nicht mit den körperlichen Personen. Ich weiß langsam nicht mehr wer ich bin und wie ich aus dieser Hölle rauskomme

    1. Es gibt Methoden, um zu lernen, einen besseren Umgang zu finden. Auch die Methoden hier im Blog funktionieren, wenn man sie wirklich anwendet. Aber es braucht Zeit, um den Umgang zu lernen. Vielleicht magst du dir mal das Maastricht-Interview anschauen, damit du ein Inventar deiner Stimmen machen kannst und herausfinden, wer eigentlich da ist und was sagt. Stimmen entstehen immer aus einem Trauma heraus und es geht am Ende darum, das Trauma zu heilen. Vielleicht magst du dich ja auf den Weg machen, um herauszufinden, woher deine Stimmen wirklich kommen und was sie dir sagen möchten?

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